08.05.2020 09:48
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Absturz und Erholung der Weltwirtschaft

Der tiefe Fall

Ein Kommentar von Vanguard Global Chief Economist Joe Davis

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Die Corona-Pandemie gehört zu den gravierendsten Ereignissen unserer Zeit, ihre beispiellosen wirtschaftlichen Folgen lassen sich mit normalen Begriffen nicht mehr beschreiben.

Ein Vergleich der aktuellen Krise mit früheren Rezessionen macht das Ausmaß der Zerrüttung durch die Pandemie und Gegenmaßnahmen deutlich. Ich möchte die Dimension am Beispiel der USA anschaulich machen, in anderen Ländern ist die Lage jedoch ähnlich. Die Pandemie hat nicht nur das Wachstum, sondern auch den Arbeitsmarkt einbrechen lassen, die Gegenmaßnahmen stellen selbst die Finanzkrise des Jahres 2008 in den Schatten.

Der beispiellose Absturz der US-Wirtschaft



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Quellen: US Bureau of Economic Analysis. Der Datenpunkt vom April 2020 entspricht der Vanguard Prognose für das US-Wachstum im zweiten Quartal. Die frühere Wertentwicklung gibt keinen verlässlichen Hinweis auf zukünftige Ergebnisse.

Doch auch ein Vergleich mit der Weltwirtschaftskrise bietet sich nicht an, schließlich wirkte die „große Depression“ über Jahre nach. Ich bezeichne diese Phase lieber als einen „tiefen Fall“. Auch wenn der Schock aktuell schwer wiegt, könnte sich die Wirtschaft schneller erholen als in früheren Rezessionen, sobald die gesundheitlichen Risiken so weit unter Kontrolle sind, dass Unternehmen ihren Betrieb wieder aufnehmen können.

Eine Erholung in zwei Phasen

In unserem Basisszenario gehen wir von einer schrittweisen Lockerung der drastischen Einschränkungen in den USA, in Europa und Asien ab Sommer aus, wobei einige Bereiche der Wirtschaft schneller wieder hochfahren dürften als andere. Einige Beobachter gehen von einer U-förmigen, andere von einer V-förmigen Erholung aus; wir erwarten eine Mischung von beidem.

Die V-förmige Erholung verdankt ihren Namen der Ähnlichkeit der Wachstumskurve mit dem Buchstaben V: Der Absturz ist so schnell und so drastisch, dass er wahrscheinlich nicht lange anhält. Rein technisch lassen wir die Rezession hinter uns, sobald die Wirtschaftsleistung sich aus ihrer pandemiebedingten Schockstarre befreit und die Arbeitslosigkeit wieder zurückgeht.

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Erholung leicht wird. Bis die Wirtschaft ihr Vorkrisenniveau erreicht hat, könnten zwei Jahre vergehen. Daher rührt der Begriff einer U-förmigen Erholung, denn die Pandemie hat nicht nur die Angebotsseite durch Eindämmungsmaßnahmen getroffen, sondern belastet auch die Nachfrage, da Verbraucher wohl auf absehbare Zeit auf Restaurantbesuche, Reisen, Großveranstaltungen und andere Dienstleistungen verzichten, die mit Kontakt verbunden sind. Einige Wirtschaftsbereiche werden sich daher schneller erholen als andere. Vor 2023 dürfte die Arbeitslosigkeit jedoch nicht auf ihr Vorkrisenniveau sinken, womöglich hält die Federal Reserve bis dahin auch die Zinsen stabil bei knapp über 0%.

Auch in der nachstehenden Grafik beschreibe ich die zweistufige Erholung am Beispiel der USA, wir erwarten jedoch in anderen Industrieländern eine ähnliche Entwicklung.

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Quellen: US Bureau of Economic Analysis und Prognosen von Vanguard. Prognosen sollten als naturgemäß hypothetisch betrachtet werden und spiegeln keine zukünftigen Ergebnisse wider bzw. garantieren diese nicht.

„Whatever it takes“

Wir haben schon zu Beginn der Pandemie darauf hingewiesen, dass sich wirtschaftliche Schäden unter anderem durch Insolvenzen und dauerhafte Entlassungen nur durch mutige, schnelle und effiziente Gegenmaßnahmen von Regierungen und Zentralbanken vermeiden lassen. Davon haben wir in den vergangenen zwei Monaten weltweit mehrere hundert gesehen. Die Zentralbanken haben mit Wertpapierkäufen reagiert und sorgen so für Liquidität und stabilen Handel; Regierungen halten private Haushalte und Unternehmen durch Zuschüsse liquide. Im Rückblick muten die Maßnahmen gegen die Finanzkrise wie eine praktische Generalprobe an.

Insgesamt unterstützen wir die Hilfsmaßnahmen, die sich weltweit auf mehrere Billionen Dollar summieren. Die „Whatever it takes“-Reaktion ist in Anbetracht des beispiellosen Schocks durchaus angemessen und hatte an den Märkten eine entsprechende Reaktion zur Folge. Zum Beispiel beobachten wir sehr genau einen Index, der die Finanzierungskonditionen am Markt abbildet. Dieser hat sich sehr viel schneller erholt als während der Finanzkrise und untermauert damit die Geschwindigkeit und Effizienz der Stabilisierungsmaßnahmen. Langfristige Nebenwirkungen werden nicht ausbleiben, etwa wenn die Zentralbanken ihre verlängerten Bilanzen wieder verkürzen oder Regierungen ihre Haushaltsdefizite unter Kontrolle bringen müssen.

Für Konjunkturprognosen ist auch entscheidend, wann die Eindämmungsmaßnahmen enden. Wir gehen davon aus, dass die Wirtschaft ab dem zweiten Quartal wieder anläuft. Allerdings sind wir Volkswirte und keine Epidemiologen und können daher nicht vorhersagen, ob eine zweite Welle oder eine Mutation einen weiteren Lockdown notwendig machen könnte. Ein solches Szenario können wir lediglich als Risiko für unsere Prognose einstufen – die wir dann wohl deutlich nach unten korrigieren müssten.

Für uns Ökonomen beschreibt ein Risiko jedoch die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses, das nicht unserem Basisszenario entspricht. Demnach könnte sich die Erholung auch beschleunigen, sollte die Welt schneller als erwartet einen Impfstoff oder eine Therapie für Covid-19 entwickeln. Zumindest die Verbraucher würden dann wohl schneller zur Normalität zurückkehren. Dasselbe würde passieren, falls sich herausstellen sollte, dass wir bereits näher an der kritischen Masse für sogenannte Herdenimmunität sind.

Der tiefe Fall der Weltwirtschaft würde dadurch jedoch nicht weniger zu einem prägenden Ereignis. In der Vergangenheit wurden bereits bestehende Entwicklungen, man denke zum Beispiel an Heimarbeit, oft durch Extremereignisse beschleunigt, die die Gesellschaft und das Verhalten der Verbraucher nachhaltig verändert haben. Die Corona-Krise wird die Welt in vielerlei Hinsicht verändern.



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Die Prognosen des VCMM basieren auf statistischen Analysen und historischen Daten. Zukünftige Renditen können von den im VCMM erfassten historischen Mustern abweichen. Noch wichtiger ist jedoch, dass das VCMM extrem negative Szenarios unterschätzen kann, die in den historischen Zeiträumen, auf denen die Modellschätzungen beruhen, nicht vorkamen.

Das Vanguard Capital Markets Model® ist ein firmeneigenes Finanz-Simulationsinstrument. Es wurde von den erstklassigen Investment-Research- und Beratungsteams von Vanguard entwickelt und wird von diesen gewartet. Das Modell prognostiziert die Verteilung zukünftiger Renditen für zahlreiche Assetklassen. Zu diesen Assetklassen gehören: US-amerikanische und internationale Aktienmärkte, die Märkte für mehrere US Treasury-Laufzeiten und Unternehmensanleihen, internationale Rentenmärkte, US-Geldmärkte, Rohstoffe sowie bestimmte alternative Anlagestrategien. Die theoretische und empirische Grundlage des Vanguard Capital Markets Model ist die Beziehung zwischen Rendite und Risiko: Die Renditen zahlreicher Assetklassen sind der von Anlegern im Gegenzug für bestimmte Arten von systematischem Risiko (Beta) verlangte Ausgleich. Das Modell beruht im Kern auf Schätzungen der dynamischen statistischen Beziehung zwischen Risikofaktoren und Asset-Renditen. Diese erhalten wir durch statistische Analyse monatlicher Finanz- und Wirtschaftsdaten, die bis in das Jahr 1960 zurückreichen. Mithilfe eines Systems von Gleichungsschätzungen führt das Modell eine Monte Carlo-Simulation durch, um die Zusammenhänge zwischen Risikofaktoren und Assetklassen sowie Ungewissheit und Zufälle langfristig zu prognostizieren. Das Modell generiert eine große Anzahl simulierter Ergebnisse für jede Assetklasse über verschiedene Zeiträume. Die Prognosen werden durch Berechnung der Zentraltendenzen in diesen Simulationen gewonnen. Die Ergebnisse des Modells variieren mit jeder Nutzung sowie im Laufe der Zeit.

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