15.06.2020 13:53
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Covid-19 drückt die Preise – vorerst

Was bedeutet die Pandemie für die Inflation?

Ein Kommentar von Andrew Patterson, Vanguard Senior Economist

Die Folgen von Covid-19 und den rabiaten Gegenmaßnahmen wecken die Sorge vor steigender Inflation. Dies ist verständlich, schließlich hat die Pandemie Versorgungsketten unterbrochen und Regierungen veranlasst, billionenschwere Konjunkturpakete auf den Weg zu bringen.

Die Wahrscheinlichkeit einer Desinflation – einer Verlangsamung der Teuerungsrate – ist jedoch im Moment größer. Mit 0,4% war der Rückgang des US Core Consumer Price Index im April der größte seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Daten, die in den Index einfließen, könnten einen Ausblick auf die kommenden Monate geben. Steigende Arbeitslosigkeit und die allgemeine Zurückhaltung der Verbraucher sprechen aus unserer Sicht kurzfristig für sinkende Nachfrage, die den Inflationsdruck überwiegt. Irgendwann könnte der Preisdruck jedoch die Oberhand gewinnen, wozu vor allem Nachwirkungen auf Lieferketten, rasant steigende Staatsschulden und eine höhere Inflationstoleranz der Zentralbanken beitragen könnten.

Neustart für die Wirtschaft

Überall auf der Welt bemühen sich Regierungen inzwischen um einen Neustart ihrer Wirtschaft, ohne dabei eine zweite Infektionswelle loszutreten. Eine Lösung für dieses Problem wird Aufschluss darüber geben, wie tief die Rezession wird, wann eine Erholung einsetzen kann und wann die Preise die Inflationsziele der Zentralbanken (in der Regel 2% oder kurz darunter) erreichen oder überschreiten könnten.

All das hängt natürlich von der weiteren Entwicklung der Pandemie ab, denn ein erneuter Anstieg der Inflationszahlen würde jeden Fortschritt schnell zunichtemachen. Es gut möglich, dass wir eine Weile zwei Schritte vor und einen zurückgehen werden. Vielleicht haben wir jedoch Glück und schaffen drei oder vier Schritte vorwärts, bevor wir einen Schritt zurückgehen müssen.

Wie es weitergeht, wissen wir nicht. Wir können jedoch aus der Vergangenheit Rückschlüsse über die aktuelle Situation ableiten:

Wir erleben keinen Angebotsschock wie zuletzt in den Siebzigerjahren. Das Erdölembargo arabischer Länder, das sich vornehmlich gegen westliche Länder richtete, hatte bekanntlich maßgeblichen Einfluss auf die zweistelligen Inflationsraten der Siebzigerjahre, als die Löhne in Erwartung anhaltender Preissteigerungen in die Höhe schnellten. Von den pandemiebedingten Lieferunterbrechungen sind zahlreiche Güter betroffen, doch die Bedingungen sind andere als damals, denn sinkende Nachfrage könnte dem preistreibenden Effekt eines knapperen Angebots entgegenwirken. Zwar könnte der Inflationsdruck steigen, wenn sich die Nachfrage schneller erholt als das Angebot. Wir wissen jedoch nicht, wann die Verbraucher wieder zum Alltag zurückkehren und die Produktion wieder Normalniveau erreicht.

Die Zentralbanken haben aus der Vergangenheit gelernt. Die Zentralbanken, insbesondere die US-Notenbank (Fed), haben seit den Siebzigerjahren viel über die Bekämpfung ausufernder Inflation gelernt und dabei Glaubwürdigkeit aufgebaut. Daher laufen auch die Inflationserwartungen nicht aus dem Ruder. Die Federal Reserve hat zwei Ziele: Preisstabilität und möglichst hohe, nachhaltige Beschäftigung. Das Mandat der meisten anderen Zentralbanken beschränkt sich dagegen auf Preisstabilität, die sie daher noch genauer im Auge behalten werden.

Glaubwürdigkeit und Kompetenz der Zentralbanken spielen eine wichtige Rolle. Seit der Finanzkrise haben sie gezeigt, dass sie selbst in Zeiten großzügiger staatlicher Konjunkturpakete, hoher Schulden und großer Zentralbankbilanzen ein Ausufern der Inflation verhindern können. Allerdings haben die meisten Zentralbanken ihre Ziele in den letzten Jahren verfehlt und würden daher wohl höhere Inflation in Kauf nehmen. Das bedeutet keine zweistellige Inflation wie in den Siebzigerjahren, sondern eine Teuerungsrate, die temporär etwas über 2% liegt. Sollten die Preise deutlich schneller steigen, verfügen Zentralbanken über die notwendige Kompetenz und die richtigen Instrumente (u. a. Zinsanhebungen), um gegenzusteuern. In den letzten Jahren – und wohl auch in diesem Jahr – hatten die Notenbanken eher mit zu niedrigen Teuerungsraten zu kämpfen und haben dabei auch vor außergewöhnlichen Maßnahmen wie Null- und Negativzinsen nicht Halt gemacht, um die Inflation anzukurbeln. Auch deshalb macht uns zu niedrige Inflation im Moment mehr Sorgen als zu hohe.

Was Frühindikatoren betrifft, so werden wir die Einkaufspreise am Rohstoffmarkt im Auge behalten. Steigen die Rohstoffpreise, sei es aufgrund höherer Nachfrage oder wegen Lieferstörungen, sollten die Verbraucherpreise folgen. Das nachstehende Diagramm zeigt die Korrelation zwischen den US-Verbraucher- und -Erzeugerpreisen.

Covid-19 drückt die Preise – vorerst



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Hinweis: Die Abbildung zeigt die Veränderung des Core US Consumer Price Index (Verbraucherpreise abzüglich der Einflüsse durch volatile Lebensmittel- und Energiepreise) im Verhältnis zu einer Principal Component Measure von Erzeugerpreiserhebungen. (Die Principal Component Measure ist eine statistische Technik, die ein gemeinsames Signal aus Daten extrahiert.) Quellen: Vanguard Analyse von Daten des US Bureau of Labor Statistics, der Federal Reserve Banks of Dallas, Philadelphia, Kansas City, Richmond und New York sowie des Institute for Supply Management; Stand: 30. April 2020. _



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