Meinung weekly: Etwas mehr Klarheit
Nach der Ablehnung des Brexit-Vertrages im britischen Parlament am 15. Januar war das politische Chaos im Vereinigten Königreich groß. Offiziell war damit, dass der zwischen der Regierung und der EU ausgehandelte Deal nicht die Zustimmung des Unterhauses findet. Eindeutig war, was das Parlament nicht will. Unklarheit herrschte jedoch darüber, was das Parlament stattdessen will. Zu unterschiedlich waren die Positionen der Abgeordneten, sodass sich keine mehrheitsfähige Linie ergab.
Am Dienstag (29.1.) hat das Unterhaus erneut getagt und über verschiedene Änderungsanträge abgestimmt. Angenommen wurde von den Abgeordneten ein Antrag von Graham Brady, wonach der Backstop auf der irischen Insel geändert werden soll. Momentan sieht der Backstop (=Auffanglösung) im Brexit-Vertrag folgendermaßen aus: Wenn das Vereinigte Königreich und die EU in der Übergangszeit bis Ende 2020 keine Lösung finden, um für die Zeit danach eine harte Grenze auf der irischen Insel zu vermeiden, dann wird dort der EU-Binnenmarkt weiterhin Bestand haben. Dies dient als Absicherung, auf alle Fälle eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland zu verhindern. Viele Abgeordnete lehnen aber eine solche unbefristete Lösung ab, weil diese die Einheit des Vereinigten Königreichs gefährden würde und/oder der Bruch mit der EU damit nicht groß genug wäre.
Die Regierung unterstützt den Änderungsantrag. Theresa May will nun den Brexit-Vertrag wieder aufmachen und den Backstop mit der EU neu verhandeln. Sie kündigte an, den „überarbeiteten Deal“ so schnell wie möglich zur Abstimmung ins Unterhaus zurückzubringen. Ob der Backstop allerdings geändert werden kann, ist mehr als fraglich. So hat die EU auch gleich nach der Abstimmung verlauten lassen, dass es keine Nachverhandlungen am Brexit-Vertrag geben werde. Möglicherweise ist jedoch eine Befristung des Backstop möglich. Und möglicherweise reicht diese Änderung dann aus, um die Zustimmung des Unterhauses zu bekommen.
Mit der Annahme des Änderungsantrages ist klarer, was die Mehrheit der Parlamentarier will. Das gibt Theresa May vielleicht mehr Verhandlungsmacht gegenüber der EU. Denn auch die EU möchte nicht die Schuld an einem ungeordneten Brexit tragen. Wenn also eine teilweise Änderung des Backstop ausreicht, einen ungeordneten Brexit zu verhindern, dann dürfte sich die EU nicht dagegenstellen wollen. Die große Frage ist, ob beispielsweise eine Befristung des Backstop ausreicht, um den Deal durch das britische Parlament zu bekommen.
Auch haben die Abgeordneten dem Antrag zugestimmt, einen Brexit ohne Abkommen abzulehnen. Der Änderungsantrag von Yvette Cooper, wonach die Austrittsfrist von Ende März auf Ende Dezember verlängert wird, wenn bis Ende Februar keine Einigung erreicht worden ist, hat dagegen keine Mehrheit gefunden. Es scheint so zu sein, dass die Mehrheit der Abgeordneten einen geordneten Austritt zum 29. März präferiert. Gut ist, dass jetzt zumindest etwas mehr Klarheit herrscht.
Das heißt aber noch nicht, dass schon alles in trockenen Tüchern ist. Theresa May muss nun liefern. Das ist schon schwierig genug, denn die EU zeigt bisher wenig Entgegenkommen. Falls May jedoch erfolgreich ist, muss das Unterhaus über den Deal erneut abstimmen. Bekommt der Vertrag wieder keine Zustimmung, dann heißt es wohl endgültig, die Frist für den Austrittstermin zu verschieben. Darauf dürfte sich die EU aber nur einlassen, wenn es erkennbar eine neue Strategie bei der Gestaltung des Brexit gibt. Noch haben die Briten die Zügel selbst in der Hand.
Hier können Sie das "Wochenbarometer" mit aktuellen News zu den Kapitalmärkten und weitere Research-Publikationen herunterladen.