Meinung weekly: Fed-Entscheidung: Einfach kann jeder
Im Vorfeld der gestrigen Fed-Sitzung war intensiv darüber diskutiert worden, wie schwierig die Entscheidung für den Vorsitzenden Jerome Powell doch sei. Konfrontiert mit fallenden Aktienkursen und einem Präsidenten Donald Trump, der es nicht lassen kann, sich in die Geldpolitik einzumischen, kann man doch nicht einfach so weiter machen wie bisher. Das Wallstreet Journal ging in einem Meinungsbeitrag sogar so weit, Powell einen Formulierungsvorschlag zu unterbreiten, mit dem er eine Pause an der Zinsfront rechtfertigen solle. Der Fed-Präsident hat sich von all dem nicht beeindrucken lassen, sondern seinen Stiefel durchgezogen und den Leitzins ein viertes Mal in diesem Jahr auf jetzt 2,25 bis 2,50 % erhöht. Richtig so.
Dass die Fed politische Einflussnahme ignorieren sollte, versteht sich eigentlich von selbst. Dutzende von wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten haben in den vergangenen Jahrzehnten nachgewiesen, dass die politische Unabhängigkeit von Zentralbanken für Preisstabilität in einem Land sorgt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat vor einigen Monaten dieses Ergebnis anschaulich unter Beweis gestellt: Mit seiner politischen Einflussnahme und damaligen Forderung an die Notenbank, den Zins zu senken statt ihn anzuheben, ließ er die türkische Lira abstürzen und katapultierte die Inflation auf über 20 %. Powell äußerte sich zu der Trump-Einmischung bei der Pressekonferenz überzeugend: „Politische Überlegungen haben bei unseren Diskussionen oder Entscheidungen in keinster Weise eine Rolle gespielt.“
Aber hätte die US-Notenbank nicht auf die Turbulenzen an den Aktienmärkten reagieren müssen? Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Aktienmärkte ein wahrlich schlechter Vorlaufindikator für Rezessionen sind. Zwar gehen die Aktienmärkte relativ zuverlässig in die Knie, wenn die Konjunktur einbricht. Der Umkehrschluss, dass ein Kurssturz eine Rezession anzeigt, gilt jedoch nicht. Der Nobelpreisträger Paul Krugman fasst diese Erkenntnis mit einem Satz zusammen: „Stock markets are not the economy.“
Und so haben Powell und seine Kollegen das analysiert und als Entscheidungsgrundlage herangezogen, was am objektivsten ist, nämlich die Konjunkturdaten. Und die sprechen weiterhin für sich. Die beiden ISM-Einkaufsmanagerindizes liegen im Bereich von 60 Punkten und die Arbeitslosenrate befindet sich mit 3,7 % auf dem tiefsten Stand seit 1969. Auch bei den Löhnen war zuletzt eine Beschleunigung festzustellen gewesen, während sich die Inflation unauffällig verhält. Natürlich gibt es ein paar Zeichen, die darauf hindeuten, dass der Aufschwung nicht ewig laufen wird. In den USA ist das etwa die geringere Dynamik im Wohnungsbausektor und international hat sich das Umfeld, vor allem in Europa, eingetrübt. Sicherlich können auch vom Aktienmarkt negative Effekte für die Realwirtschaft ausgehen, wenn beispielsweise negative Vermögenseffekte auf den Konsum durchschlagen.
Genau aus diesen Gründen wird die Fed im kommenden Jahr eher auf Sicht fahren. Konkret heißt das, dass die Fed genau beobachten muss, wie immun die USA gegenüber einer möglichen Verlangsamung der Weltwirtshaft ist, ob der Konsum robust bleibt und inwieweit die Kurskapriolen an den Aktienmärkten auf die Stimmung bei den Unternehmen durchschlagen. Das allem im Blick zu behalten, einzuordnen und die richtigen geldpolitischen Schlüsse zu ziehen, ist schwierig. Für Notenbanker ist das aber keine ungewohnte Übung.
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