15.05.2020 18:10
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Physische vs. Synthetische Replikation am Beispiel des S&P 500

S&P 500-ETFs: Warum die Replikationsmethode wichtig ist

Ein Kommentar von Nusrath Hussain, Senior ETF Produkt Spezialist replication-matters-us-equity-etf-exposures.png



Die Coronakrise hat die Finanzmärkte hart getroffen. Viele Anleger mit global diversifizierten Portfolios blicken auf den US-Aktienmarkt*, denn ein Großteil ihres Vermögens ist wahrscheinlich in S&P 500-Fonds investiert. Der legendäre Standard and Poor`s 500 Index ist eine der bekanntesten Benchmarks für amerikanische Large Cap-Aktien und wird allein in Europa von 15 ETFs abgebildet.

Beim Blick auf die Wertentwicklung ihres S&P 500-ETF sollten Anleger jedoch auch die Replikationsmethode beachten. Die meisten ETFs bilden ihre Indizes entweder durch physische oder durch synthetische Replikation ab. Europäische ETF-Anleger, die in den S&P 500 investieren wollen, können zwischen beiden Methoden wählen.

Dabei sollten sie jedoch verstehen, wie sich diese Replikationsmethoden voneinander unterscheiden – und wie sich diese Unterschiede auf die Indexabbildung auswirken. Auch für die Fondstransparenz (und damit die Due Dilligence) ist die Replikationsmethode relevant, ebenso wie für das Risikoprofil des Fonds, insbesondere in dem aktuellen Marktumfeld.

Physisch oder synthetisch?

Physische ETFs kaufen alle oder zumindest eine repräsentative Teilmenge der im Index enthaltenen Wertpapiere und sind daher relativ transparent: Anleger wissen genau, was sie kaufen. Mit einem physischen S&P 500-ETF erhalten sie Anteile an allen im Index enthaltenen Unternehmen. Die Indexgewichtung dieser Unternehmen entspricht dabei ihrer Marktkapitalisierung.

Synthetische ETFs nutzen dagegen Swaps und können so die Wertentwicklung eines Index abbilden, ohne ein einziges der im Index enthaltenen Wertpapiere zu kaufen. Synthetische ETFs erreichen in der Regel einen niedrigeren Tracking Error als physische, insbesondere bei mit geringer Marktliquidität. Dem stehen jedoch auch Risiken gegenüber, die bei physischer Replikation nicht auftreten. Außerdem sind synthetische ETFs weniger transparent.

Kapitalertragssteuer: synthetische ETFs im Vorteil

In europäischen (OGAW) S&P 500-ETFs ist synthetische Replikation auch wegen ihrer Steuervorteile im Vergleich zu physischer Replikation beliebt, denn synthetische ETFs sind (neben einigen anderen Instrumenten) nach den Regeln des US Internal Revenue Service (IRS) von der Quellensteuer befreit und erhalten 100% der Ausschüttungen von Unternehmen.

Physische ETFs mit Fondsdomizil in Irland müssen ihrerseits eine jährliche Quellensteuer von 15% abführen. S&P geht bei der Berechnung des S&P 500 Net Total Return Index dagegen von einer Quellensteuer in Höhe von 30% auf Dividenden aus. Die Folge: Die meisten synthetischen und physischen S&P 500-ETFs erzielen Mehrrenditen gegenüber ihrer Benchmark.

So konnte eine repräsentative Stichprobe synthetischer S&P 500-ETFs den Index im vergangenen Jahr um 61 bis 68 Basispunkte übertreffen, bei physischen ETFs betrug die Mehrrendite 30 bis 34 Basispunkte2. Anlegern blieb diese Abweichung nicht verborgen; sie reagierten entsprechend und investierten im vergangenen Jahr vor allem in Fonds mit synthetischer Replikation.

Ursachen für die Renditeabweichungen

Warum kommen physische und synthetische ETFs zu unterschiedlichen Ergebnissen? Neben dem besagten Steuervorteil synthetischer ETFs (der zu einer höheren Dividendenrendite führt) spielen auch andere Faktoren eine Rolle.

Zum Beispiel können Nettozuflüsse die Wertentwicklung eines Fonds belasten: Synthetische ETFs nutzen einen Swap-Kontrakt mit einem Reset-Mechanismus, der zu bestimmten Terminen und Kursen ausgelöst wird. Cashflows können bei entsprechendem Volumen bzw. entsprechender Frequenz eine Anpassung dieses Reset-Mechanismus verursachen und so die Wertentwicklung beeinträchtigen. Das Problem: Da Anleger in der Regel nicht über die Hintergründe dieser Resets informiert werden, können sie kaum abschätzen, wie sich diese auf die Rendite auswirken.

Auch die sogenannte Cross-Currency Basis kann die Rendite deutlich schmälern: Per Swap-Kontrakt müssen die Anbieter eines synthetischen ETF im Gegenzug für die S&P 500-Indexrendite die Overnight US Dollar Funding Rate zahlen. Besonders im März dieses Jahres war jedoch das Dollar-Angebot am Markt knapp, und in diesem Fall berechnet die Swap-Gegenpartei für das Dollar-Leihgeschäft eine Prämie.

Diese Kosten können aus dem Fondsvermögen des ETF beglichen werden, doch auch hier sind die Auswirkungen für Anleger nicht vollständig ersichtlich. Da die Swap-Vereinbarungen zwischen dem ETF-Anbieter und der Swap-Gegenpartei im Allgemeinen nicht veröffentlicht werden, lassen sich auch die Swap-Kosten nicht nachvollziehen, die aus dem Anlagevermögen des ETF beglichen werden.

Keine verlässlichen Mehrrenditen durch synthetische Replikation

Physische ETFs holen auf

Netto-Mehrrenditen von S&P 500-ETFs: vier synthetische im Vergleich zu zwei physischen ETFs (jeweils linke und rechte Seite)

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Quelle: Bloomberg; Stand: 31. März 2020. Hinweise: Die obigen Grafiken vergleichen zwei physische ETFs mit 4 äquivalenten synthetischen ETFs, die jeweils den S&P 500 Index abbilden. ETF 1 und 2 unterscheiden sich durch ihr Fondsvolumen, ihre Laufzeit, laufende Kosten, Ausschüttungen und ihre Wertpapierleihe.

Wie an den Diagrammen zu erkennen ist, kann die Wertentwicklung synthetischer S&P 500-ETFs deutlich schwanken, insbesondere über fünf und zehn Jahre. Im ersten Quartal 2020 sanken die Mehrrenditen synthetischer ETFs jedoch deutlich – sowohl gegenüber der Benchmark als auch gegenüber physischen ETFs.*3 Besonders ausgeprägt war dieser Rückgang im März, als physische und synthetische S&P 500-ETFs nahezu gleichauf lagen.

Anleger reagierten auf die sinkenden Mehrrenditen und zogen im ersten Quartal Mittel aus synthetischen ETFs ab.

Anleger ziehen sich aus synthetischen S&P 500-ETFs zurück

Netto-Cashflows in S&P 500-ETFs (in Millionen US-Dollar) 417-web-bar-chart_1200x600px_de.PNG Quelle: Morningstar; Stand: 31. März 2020.

Was ist passiert? Die genauen Ursachen lassen sich eben wegen der Intransparenz synthetischer ETFs nicht ermitteln. Eine mögliche Erklärung ist das knappe Dollar-Angebot am Markt. Die bereits erwähnt Cross-Currency Basis verschob sich zunehmend zum Nachteil der Anbieter synthetischer Fonds, die die steigenden Kosten auf die Fonds umlegten – zulasten der Rendite. Wegen der Coronakrise hat die Federal Reserve allerdings in den Markt eingegriffen und die Liquiditätsmängel behoben, die Cross-Currency Basis hat sich daher wieder zugunsten der Fondsmanager verschoben.

Sicher ist eines: Anleger können sich langfristig nicht auf beständige Mehrrenditen durch synthetische Replikation des S&P 500-Index verlassen.

Das Kleingedruckte zählt

ETF-Käufer sollten sich mit den Mechanismen des Fonds vertraut machen; von diesen hängt ab, wie komplex das Produkt ist und welche Risiken Anleger eingehen.

Physische ETFs kaufen direkt alle im Index enthaltenen Wertpapiere oder zumindest eine Teilmenge dieser Papiere, in synthetischen ETFs entstehen im Unterschied dazu Gegenparteirisiken. Bei einem Zahlungsausfall haben Anleger lediglich Zugriff auf die Sicherheiten bzw. den Referenz-Wertpapierkorb, der in seiner Zusammensetzung (Wertpapiere, Länder, Sektorgewichtungen, Liquidität) deutlich vom Index abweichen kann. Anleger sollten genau überprüfen, ob das Risiko-/Renditeprofil des Fonds mit ihrer Risikotoleranz und ihren Renditezielen vereinbar ist. Synthetische ETFs lassen sich kaum dauerhaft überwachen, zudem erschwert mangelnde Transparenz die Performance-Attribution. Für einen physischen ETF gilt das Gegenteil: Anleger wissen, was sie kaufen, können den Fonds leicht kontrollieren und überprüfen, woher die Rendite kommt.

Letztendlich müssen Anleger die richtige Balance zwischen Sicherheit und Rendite selber bestimmen. Im vergangenen Jahr hatten viele Anleger offensichtlich kein Problem mit dieser Balance und investierten in großem Stil in synthetische S&P 500-ETFs, in dem aktuellen Marktumfeld sind Volatilität und Unsicherheit jedoch deutlich höher.

Für die Vorteile synthetischer ETFs gehen Anleger immer gewisse Risiken ein und sollten daher prüfen, ob die Vorteile diese Risiken aufwiegen.



Quellen 1 Per 31. März 2020 machen US-Aktien 55,8% des FTSE Global All Cap Index aus.

2 Quelle: Bloomberg. Nur zu Illustrationszwecken. Daten per 31. März 2020. Das Anlageuniversum besteht aus S&P 500-ETFs von Vanguard, iShares, Xtrackers, Lyxor, Invesco und Amundi.

3 Quelle: Bloomberg. Nur zu Illustrationszwecken. Daten per 31. März 2020. Das Anlageuniversum besteht aus S&P 500-ETFs von Vanguard, iShares, Xtrackers, Lyxor, Invesco und Amundi.



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