Meinung weekly: Herzlichen Glückwunsch, Bitcoin!
Bitcoin, lohnt es sich überhaupt noch darüber zu schreiben? Das ist doch diese Pseudowährung, die im Januar 2009 unter ohnehin dubiosen Umständen von einem Anonymos namens Satoshi Nakamoto in Umlauf gebracht wurde, auf die sich dann schräge und teilweise kriminelle Typen gestürzt haben und einen schwer nachvollziehbaren Hype ausgelöst haben. Bis zu 20.000 US-Dollar waren die Menschen zeitweise bereit, für diese Illusion zu zahlen und haben Stand heute demgegenüber 80 Prozent Wertverlust erlitten. An Negativ-Assoziationen stehen darüber hinaus im Raum: Unsinniger Energieverbrauch; reines Geldwäsche-Medium; unpraktisch in der Verwendung und viel zu langsam. Da liegt die Schlussfolgerung nahe, dass mit dem Ende des Hypes auch Bitcoin am Ende ist – oder etwa nicht?
Man sollte es sich nicht zu einfach machen. Da ist zunächst festzuhalten, dass Bitcoin auch zehn Jahre nach seiner Entstehung weiterhin noch existiert. Immerhin wird ein Bitcoin heute mit 3310 Euro bewertet. Ein einfaches Gesetz der Volkswirtschaft besagt: Alles, was einen Preis hat, hat auch einen Nutzen. Unter der Webadresse www.blockchain.com/de/btc/unconfirmed-transactions kann man miterleben, wie aktiv Bitcoin gehandelt wird. Alles Geldwäsche? Wohl kaum. Abgesehen davon erleichtert Bargeld ebenfalls die Geldwäsche. Sollte es deswegen abgeschafft werden? Vielleicht, aber dann schüttet man vermutlich das Kind mit dem Bade aus.
Weiter beruht Bitcoin auf einer Blockchain-Technologie, die es den Menschen erstmals erlaubt, Werte über das Internet von einer Person zur anderen – also Peer to Peer und daher ohne Intermediär – zu versenden. Das eröffnet die Möglichkeit ungeahnter Effizienzgewinne durch das Einsparen von Transaktionskosten. Darüber hinaus ist es bemerkenswert, dass auch Zentralbanken das Bitcoin-Phänomen ernst nehmen. Die britische Notenbank stellt beispielsweise fest: „Wir lehnen das monetäre System Bitcoin ab. (Aber) wir lassen uns von dem (Bitcoin-)Zahlungssystem inspirieren.“ Man kann Bitcoin wohl eine Katalysator-Rolle für die Forschung in Richtung einer Modernisierung unseres Geldsystems zusprechen.
Wichtig ist außerdem ein Perspektivenwechsel. Natürlich lässt sich argumentieren, dass unsere Institutionen zufriedenstellend funktionieren und man daher Bitcoin nicht benötigt. Das ist die Perspektive entwickelter Volkswirtschaften. Was aber ist mit Ländern wie Venezuela, Argentinien oder Simbabwe? Also Länder, die immer wieder Hyperinflationen und die geradezu obszöne Bereicherung politischer Eliten erleben? Wäre Bitcoin nicht ein wichtiger Beitrag, um diese Regierungen stärker unter Druck zu setzen, den Aufbau von guten Institutionen zu beschleunigen?
Weitere Punkte, die die pauschale Ablehnung von Bitcoin fragwürdig erscheinen lassen, seien hier nur kurz erwähnt. So ist festzustellen, dass Bitcoin noch in den Kinderschuhen steckt, vergleichbar mit dem Internet Ende der 1980er Jahre, als etwa die Einwahl über das Modem nur in Ausnahmefällen funktionierte. Der Vorwurf, Bitcoin verbrauche sehr viel Energie, ist richtig. Der häufig angestellte Vergleich, das „Schürfen“ von Bitcoin verbrauche so viel Energie wie Dänemark, verstellt jedoch den Blick darauf, dass es viele deutlich energieintensivere Tätigkeiten gibt, wie etwa das Schürfen von Gold, das unterschiedlichen Schätzungen zufolge mit einem Vielfachen an Energieverbrauch gegenüber Bitcoin verbunden ist.
Fazit: Bitcoin einfach in die Schublade „geplatzte Blase“ zu stecken, wäre unverantwortlich angesichts der Chancen, die diese immer noch junge Technologie in sich birgt. Meine Prognose: Das 20-jährige Bestehen von Bitcoin dürfte mit deutlich mehr Schlagzeilen verbunden sein als der jetzige zehnjährige Geburtstag.
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